Und schon wieder eine Drei-Wort-Geschichte. 2.400 Zeichen (+/- ein paar). Die vorgegebenen Wörter waren:

  • Restaurator
  • Grillplatz
  • Skalpell

Viel Spaß.

Für das Headerbild danke ich Michal Gadek by Unsplash


Babyblaue Augen

„Mama, Omi, guckt mal da!“ Marie zeigte mit einer Hand zu einem Laden auf der rechten Seite der Fußgängerzone und zog mich mit der anderen dorthin.
Im Schaufenster saßen und standen Puppen unterschiedlichster Machart: Käthe-Kruse-Puppen, Stoffpuppen, Divanpuppen mit Porzellanköpfen. Nichts, womit kleine Mädchen heute spielen. Marie hatte sich schon wieder abgewandt und versuchte, das altertümliche Emailschild zu entziffern. Restaurator für Puppen und historisches Spielzeug.
Ich sah ihrem Gesicht an, dass sie damit nichts anfangen konnte. Meine Mutter kam mir zuvor.
„Früher nannte man das einfach Puppenklinik, Schätzchen.“
Marie sah noch einmal ins Schaufenster. „Ich mag die nicht. Los, da vorn ist schon der Eissalon.“
Insgeheim gab ich ihr recht. Die alten Puppen mit dem starren Blick aus babyblauen Augen waren irgendwie gruselig. Etwas ließ mich aufmerken. Im Dunkel des Raums stand reglos ein Mann im weißen Kittel und schien uns zu beobachten.

Mutter und Marie hatten sich bereits umgedreht, als mein Handy klingelte. Ein Blick und ich wusste, dass der Tag gelaufen war.
„Tom, was ist los?“
„Jana, ich brauch dich, sofort. Alter Grillplatz an der Schwedensäule.“
„Tom, heute ist mein freier Tag, der erste seit langem. Ich bin mit …“
„Tut mir leid. Aber ich bin sicher, du willst die Frau sehen. Und zwar an Ort und Stelle, nicht erst auf dem Seziertisch.“
„Tom, verdammt, ich …“
Mein Kollege hatte das Gespräch bereits beendet.

Als ich eine halbe Stunde später am alten Grillplatz ankam, verstand ich sofort, was er gemeint hatte. Wieder eine junge Frau, fast noch ein Mädchen, gekleidet in ein Rüschenkleid, weiße Kniestrümpfe und Lackschuhe. Und vor allem – tot. Sie starrte mich aus leblosen, blauen Augen an. So wie die Frau, die wir vor einem Monat gefunden hatten.
Dr. Schober stand auf.
„Hallo, Jana. Kein schöner Anblick. Die Lider wurden erneut mit zwei akkuraten Schnitten entfernt, und dem Opfer blaue Kontaktlinsen eingesetzt. Der Täter muss ein Skalpell benutzt haben. Er weiß, was er tut.“
„Hast du dir den Rücken schon angesehen?“
Schober wusste sofort, woran ich dachte. Die Eins vom letzten Mal.
„Nein, aber wenn ihr mal mithelft.“
Wir drehten die Tote in Bauchlage. Schon auf den ersten Blick konnte man erkennen, dass der Stoff des Kleides blutgetränkt war.
„Jede Wette, dass wir auf ihrem Rücken eine Zwei finden werden“, bemerkte der Rechtsmediziner.
Tom war einen Schritt zurückgetreten und kniff die Augen zusammen.
„Er macht sie wie Puppen zurecht.“

Ich dachte an den Mann in der Puppenklinik.