Nachdem Jutta vor ein paar Tagen schrieb, dass sie meine DWGs (Drei-Wort-Geschichten) vermisst, musste ich mir ja etwas einfallen lassen. Aktuell geht es im Forum der Schule des Schreibens um die Wörter: Wochenendhaus, Angler, Insektizid. Das Wort Insektizid hat mich zunächst abgeschreckt. Und nachdem ich einige DWGs gelesen hatte, in denen damit am liebsten gemordet wird, stand für mich fest, dass ich keine Krimi-DWG schreiben wollte. So ist schließlich eine leichte Sommergeschichte entstanden, die jede(r) für sich weiterspinnen darf. Viel Spaß beim Lesen. Elke

Schwedischer Sommer

Todmüde fiel Kristina am Abend ins gemütliche Bett ihres Ferienhauses, das sie schon im Katalog so sehr an das alte Wochenendhaus ihrer Großeltern am Vätternsee erinnert hatte. Der Besuch im Göteborger Pflegeheim war frustrierend gewesen, aber Kristina hatte Margarete und Rune noch einmal sehen wollen.

Der neue Tag entschädigte sie für die Strapazen der Anreise. Kristina riss das Fenster weit auf und atmete tief ein. Diese schwedischen Ferienhausanlagen waren so unglaublich, wenn man direkt aus einer Großstadt wie Hamburg hierher kam. Nichts als Natur und das nächste Haus so weit entfernt, dass man es noch nicht einmal sehen konnte. Vor ihr breitete sich die glitzernde Fläche eines Sees aus.

Au! Mistvieh! Kristina hatte die Stechmücke an ihrem Hals erwischt. Jetzt erst registrierte sie einige der fies juckenden Quaddeln, die sich auf ihren Armen ausbreiteten. Wie hatte sie das vergessen können? Jedes Paradies hatte auch seine Schattenseiten. Ob es im Haus irgendein Insektizid gab? Sonst würde sie wohl oder übel noch einmal losfahren müssen. Aber erst schwimmen!

Als Kristina den See fast erreicht hatte, entdeckte sie den Angler. Ein Ruderboot lag halb auf den Strand gezogen in der Nähe. Das war nichts Ungewöhnliches. Doch es störte sie an diesem ersten Morgen, der ganz allein ihr gehören sollte. Aber jetzt umkehren?

„God morgon. Jag bits inte.“ Der Mann drehte sich um.

Sehr witzig. Er beißt nicht. Die Fische beißen wohl auch nicht, dachte Kristina mit einem Blick in den grünen Plastikeimer.

„Guten Morgen. Ich will Sie nicht stören.“ Es war ein bisschen albern, ihm auf Deutsch zu antworten, das er sicher nicht verstand.

Seine blauen Augen funkelten amüsiert, als er sie von oben bis unten eingehend betrachtete. Ohne ein weiteres Wort kramte er in seinem Rucksack und warf ihr eine Sprühdose zu, die Kristina verblüfft auffing.

„Ihr Touristen vergesst doch immer das Wichtigste. Nimm schon, sonst fressen dich die Stechmücken irgendwann auf.“

Ganz schön frech, aber im Moment zweifellos nützlich. Er sprach ein fast akzentfreies Deutsch.

„Ich bin Per.“ Er grinste. „Und ich beiße nicht, habe ich vorhin …“

„Kristina. Och tack så mycket. Danke.“

Überrascht fuhr er sich mit den Fingern durch die Haare.

„O – kay …“, kam es gedehnt über seine Lippen. „Das könnte interessant werden mit uns beiden.“

Vielleicht, dachte Kristina. Sie warf ihm die Dose zu und lief ins Wasser.


Für das Headerbild geht mein Dank an Stefan Widua by Unsplash.com