Wenn heute schon keine Fotos, dann eine Buchbesprechung. Ich hatte es kürzlich erwähnt, dass ich mir „Der Gott des Waldes“ als Hörbuch geladen hatte. Das Buch wird in den höchsten Tönen gelobt und angeblich sogar von Barack Obama empfohlen. Was soll ich sagen? Ich kann das nachvollziehen. Zwar hat sich mir der Titel zu keiner Zeit erschlossen, was ich blöd finde. Denn irgendwie erwartet man so ein Zwischending von Krimi und Fantasy. Auf dem Cover findet sich die Anmerkung „ein literarischer Thriller“. Ja, was denn nun? Ich würde das Buch als spannenden Gesellschaftsroman mit Krimianteilen beschreiben. Und zwar als einen hervorragenden Roman.
Worum geht es?
Wir befinden uns einerseits im Jahr 1961, in dem Bear, der achtjähriges Sohn der reichen Familie Van Laar in der Wildnis der Adirondack Mountains verschwindet und nie wieder auftaucht. Seltsamerweise nach einem Spaziergang, den er mit seinem Großvater unternahm, von dem er sich aber trennte. (Die Adirondack Mountains gehören zum US-Bundesstaat New York.) Und andererseits im Jahr 1975, wo aus einem Feriencamp Barbara, Bears später geborene, dreizehnjährige Schwester ebenfalls verschwindet. Das Sommer-Camp im Van-Laar-Naturreservat bildet den zentralen Schauplatz des Romans. Die reichen Familien aus Neuengland schicken ihre Kinder in das Camp Emerson, wo diese während des Sommers ein besonderes Ferienlager erleben sollen.
Wir erleben mit, dass in beiden Vermisstenfällen die Suche nach den Kindern irgendwie seltsam verläuft. So, als wüsste die Familie mehr und würde die Polizeiarbeit regelrecht behindern. Vor allem aber ist der Roman eine gnadenlose Abrechnung mit einer Gesellschaft, in der Geld und Macht an erster Stelle stehen. An der diejenigen, die nicht dazugehören, der Willkür Weniger ausgeliefert sind. Frauen haben generell nichts zu sagen, was besonders die Ermittlerin Judyta zu spüren bekommt, die außer von ihrem Kollegen von Männern grundsätzlich nicht akzeptiert wird.
Mir ist beim Lesen dieses Romans zum ersten Mal so richtig klar geworden, warum man in vielen amerikanischen Filmen des letzten Jahrhunderts immer wieder betrunkene, gelangweilte, reiche Ehefrauen zu sehen bekommt. Und wenn ich mir ganz aktuell die Entourage Donald Trumps ansehe, frage ich mich, ob sich in den letzten sechzig Jahren in den USA überhaupt etwas Grundsätzliches geändert hat.
Dieses Buch braucht einen Leser/eine Leserin, die sich Zeit für fast 600 Seiten nimmt, und für eine Geschichte, die sich nur langsam entwickelt. Ich finde den Roman spannend, aber nicht im Sinne des klassischen Krimis. Ich zumindest habe mich immer wieder in die Figuren hineinversetzt und mit ihnen gebangt und gelitten. Oder sie gehasst.
Fazit
Für mich eine absolute Lese- oder Hörbuch-Empfehlung. Mir gefiel beim Hörbuch auch die Sprecherin Luise Helm sehr gut, die mir vorher nicht bekannt war. Im Klappentext bei Amazon steht folgendes Beschreibung: Mit „Der Gott des Waldes“ hat Liz Moore nicht nur einen brillanten Thriller, sondern auch einen fulminanten Gesellschaftsroman geschrieben, der an die Abgründe sozialer Ungleichheit, Wohlstandsverwahrlosung und Machtmissbrauch führt. Bis auf den Begriff Thriller finde ich das eine sehr passende Beschreibung.
Das Buch ist im Februar 2025 im Verlag C.H. Beck erschienen und hat die ISBN Nummer: 978-3406829772. Man erhält es als gebundenes Buch, E-Book und Hörbuch. Es hat 590 Seiten. Im Header habe ich das unveränderte Original-Cover abgebildet.
Wolllüstling? 😂