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Pauls Hand tastete nach dem Bett zu seiner Rechten, wie sie es mehr als ein halbes Leben lang getan hatte und immer noch tat. Nichts. Mühsam schlug er die Augen auf und blinzelte zum Fenster hinüber. Durch den nie ganz geschlossenen Rollladen drang fahles Licht ins Zimmer. Es war kalt und einmal mehr fragte er sich, wozu er überhaupt aufstehen sollte.
Sie fehlte ihm so sehr. Er drückte auf den Schalter der kleinen Nachttischlampe, richtete sich ächzend im Bett auf und angelte mit den Füßen nach seinen alten Filzpantoffeln. Sein Blick fiel auf den kleinen Bilderrahmen. Anni schien ihn geradewegs anzusehen.
„Was ist?“, raunzte er unwillig. „Ist ja gut. Irgendwann tu‘ ich sie weg. Hab’s dir versprochen. Und den ollen Bademantel auch.“ Nein, Anni wäre es ganz und gar nicht recht, dass er sich so gehen ließ, wie sie es genannt hätte. Aber wen störten die Pantoffeln denn jetzt noch? War doch eh alles egal. Er drückte die Nase in ihren altrosa Bademantel, bevor er ihn anzog. Auch nach fast zwei Jahren glaubte er ihren Duft noch wahrzunehmen.
Paul zog den Rollladen hoch. Es war so still da draußen. Und dann sah er es. Dicke Flocken tanzten vom Himmel und bedeckten die Straße mit ihrem Weiß. Weihnachten, fiel es ihm schlagartig ein. Heute war der fünfundzwanzigste Dezember. Für einen Moment schien sich sein Herz zu verkrampfen.
„Dummer Kerl, es ist wie es ist. Zeit, sich daran zu gewöhnen“, schimpfte er leise vor sich hin.
Paul öffnete die Tür zum Flur, als ihm plötzlich Kaffeeduft in die Nase stieg. Dann hörte er Frau Marquardts Lachen und die leise Stimme eines Jungen.
„Was zum Teufel geht hier vor?“ Dunkel erinnerte er sich, dass er nach Annis Tod der Bitte seines Arztes nachgekommen war und der Nachbarin einen Schlüssel ausgehändigt hatte. Nur für alle Fälle. Dieser Fall war noch nie eingetreten und würde es auch nicht, wenn es nach ihm ginge.
Paul straffte sich und riss mit einem Ruck die Tür zur Küche auf. Der Kaffeeduft vermischte sich augenblicklich mit dem von frischgebackenen Brötchen.
„Guten Morgen, Paule, und fröhliche Weihnachten“, kam ihm die Nachbarin zuvor, ehe er etwas sagen konnte. Aber eigentlich hatte er auch noch keine Idee gehabt, was er hätte sagen sollen. Überhaupt verschlug ihm der Anblick, der sich ihm bot, für einen Moment die Sprache.
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„Sascha und ich dachten, dass uns allen ein bisschen Wärme und Gesellschaft guttun könnten. Meinen Sie nicht auch?“
Pauls Blick erfasste den weihnachtlich geschmückten Küchentisch und die Nachbarin in der geblümten Küchenschürze, die ihn mit hochroten Wangen, die Arme in die Hüften gestützt, auffordernd, aber auch ein klein wenig unsicher ansah. Und er sah Sascha, den kleinen Jungen, der mit seinen Eltern im Erdgeschoß gewohnt hatte, bevor sie im Sommer bei einem Autounfall ums Leben gekommen waren. War Frau Marquardt nicht seine Tante? So vieles ging ihm gleichzeitig durch den Kopf, aber etwas hatte sich festgesetzt: Uns allen guttun, hatte die Nachbarin gesagt, uns allen.
Paul schluckte und blinzelte hastig die drei Tränen weg, die sich hinterlistig in seine Augen geschlichen hatten. Als er wieder klar sehen konnte, bemerkte er, dass der Junge ihn zweifelnd musterte. Schlagartig wurde er sich des rosa Bademantels und der alten Filzpantoffeln bewusst. Himmel, er stand da, wie er aus dem Bett gekrochen war.
„Ich, ich …“, stammelte er. „Ja also … frohe Weihnachten. Ich glaube, ich muss erstmal ins Bad.“
Sascha grinste. „Mach mal. Ich sehe morgens auch immer so aus.“ „Also fast“, fügte er mit einem weiteren skeptischen Blick auf Pauls Bademantel hinzu.
„Sascha, du kannst doch nicht …“
Was Frau Marquardt noch sagte, hörte Paul nicht mehr. Er floh ins Badezimmer, drehte das kleine Radio an und die Dusche auf. Erst zögerlich, dann zunehmend lauter, stimmte er in José Felicianos Feliz Navidad mit ein, während ihm das heiße Wasser auf die Schultern prasselte.
© Elke Heinze 12/2024
♥
Ihr wollt wissen, wie es mit den Dreien weitergeht? Das wäre eine andere Geschichte. Die könnt ihr aber vielleicht auch selbst weiterspinnen. Diese Geschichte hat sich – falls ihr es nicht wisst – aus dem letzten Dienstags-Drabble entwickelt. Danke an Puzzleblume für die Inspiration. Auf die drei damals vorgegebenen Wörter habe ich, bis auf die Filzpantoffeln, in dieser Geschichte keine Rücksicht mehr genommen.
Fröhliche Weihnachten – eure Elke
Ebenfalls fröhliche Weihnachten liebe Elke.
Deine kleine rührende Geschichte lässt an Weihnachten nur einen Schluss zu, sie verlieben sich und heiraten.
Ganz liebe Grüße
Edith
So, meinst du? Tja – könnte sein …😉 … Erstmal drüber schlafen. Gute Nacht🎄 💫🌙🎄.
Fröhliche Weihnachten, liebe Elke.
Deine kleine Weihnachtsgeschichte ist so schön. Die nehme ich jetzt mit in den Tag. Vielen Dank.
Liebe Grüße
Jutta
Freut mich, dass sie dir gefällt. Dann noch einen schönen Tag. Bei uns scheint heute morgen tatsächlich die Sonne. ☀️