Heute wieder Dauerregen und „Bäh“- Wetter. Zeit für noch etwas Theorie zum Thema Belichtungsdreieck.
Neben der richtigen Einstellung der Blende ist die Verschluss- oder auch Belichtungszeit ganz wichtig. Und zwar immer dann, wenn ihr eher bewegte Motive fotografiert (Tiere, Sport, kleine Kinder) oder eine Verwacklungsmöglichkeit ausschließen wollt.
Die Verschlusszeit (auch Belichtungszeit) – englisch: Shutterspeed oder für das Moduswahlrad auch Time bzw. Time Value.
Diese unterschiedlichen englischen Bezeichnungen für die Verschlusszeit spiegeln sich in unterschiedlichen Beschriftungen der Moduswahlräder wider. „S“ steht für Shutter Priority (entsprechend der Aperture Priority) bzw. Shutterspeed und ist unter FotografInnen auch am gebräuchlichsten. Time (T) und Time Value (Tv) bedeuten dasselbe (bei Canon Kameras üblich). Wie gut, dass – meines Wissens – noch kein Kamerahersteller auf die Idee gekommen ist, die deutschen Abkürzungen zu verwenden. In dem bekannten Bild mit den Moduswahlrädern habe ich heute die entsprechenden Positionen gelb umrandet. Jetzt seht ihr auch, dass es den Buchstaben „B“ tatsächlich auch noch gibt. Der hat auch etwas mit Belichtung zu tun, heißt „Bulb“ und den braucht man bei Langzeitbelichtungen. Aber das lassen wir erst einmal.
Durch die Öffnung der Blende dringt das Licht in die Kamera. Durch eine weit offene Blende (kleine Blendenzahl) viel Licht, durch eine fast geschlossene Blende (große Blendenzahl) wenig Licht. Das gilt aber nur, wenn in beiden Fällen das Licht gleich lang – Zeitdauer – einfällt. Du kannst ein Glas Wasser füllen, indem du einen starken Wasserstrahl kurz laufen lässt oder einen tröpfelnden über lange Zeit. Ähnlich ist es bei der Kamera. Den Wasserdurchlauf regelst du über den Wasserhahn, den Licht-„durchlauf“ über den Verschluss. Das ist ein Teil – man spricht auch vom Verschlussvorhang -, das je nach eingestellter Verschlusszeit den Lichteinfall kappt. In den meisten Fällen werden zum Einstellen Bruchteile von Sekunden verwendet und angezeigt, wie: 1/30, 1/60, 1/125, 1/250, 1/500 usw. Jeder Schritt sorgt für eine Halbierung oder Verdopplung der Lichtmenge. (Warum das zwischen 1/60 und 1/125 nicht exakt hinhaut, weiß ich nicht.) Wenn man das mit den Blendenzahlen vergleicht – also f/2, f/4, f/8 passiert dort das Gleiche.
Kann man also mit einer großen Blendenöffnung und einer kurzen Belichtungszeit dasselbe erreichen wie mit einer kleinen Blendenöffnung und einer langen Belichtungszeit? Theoretisch ja, was die reine Belichtung des Sensors (oder Films) angeht. Praktisch kommt aber ein anderes Bild dabei heraus. Mit der großen Blende und der kurzen Verschlusszeit bekomme ich ein zwar scharfes Foto, aber eins mit geringer Schärfentiefe. Mit einer kleinen Blende und einer langen Verschlusszeit bekomme ich eine große Schärfentiefe, unter Umständen aber ein verwackeltes Foto.
Mit der Verwendung eines Stativs, dem Auflegen der Kamera auf einen festen Untergrund, aber auch schon mit der richtigen Kamerahaltung, sind längere Verschlusszeiten möglich, zumal viele digitale Kameras und Objektive über eingebaute Stabilisatoren verfügen. Früher galt, dass die Belichtungszeit (in Sekunden) nicht länger sein sollte als der Kehrwert der Brennweite (bezogen auf Vollformat). Benutzte man ein Objektiv mit einer Brennweite von 100 mm an einer Kleinbildkamera (=Vollformat), sollte die längste vertretbare Zeit 1/100 Sek nicht überschreiten. Umrechnen wegen des Crop-Faktors muss man bei APS-C Kameras und Micro-four-Thirds (MFT) Kameras, wenn man sich heute noch an diese Regel halten will. Aber eigentlich sind diese Zeiten vorbei. Ich kann mit meiner Oly (MFT mit internem Stabilisator) locker bis zu einer halben Sekunde aus der Hand belichten.
Lange Verschlusszeiten werden in der Landschaftsfotografie gerne benutzt, um Wasseroberflächen spiegelglatt erscheinen zu lassen. Oder umgekehrt für die berühmten verträumten Wasserfälle, bei denen die Bewegung des Wassers verdeutlicht werden soll. Das Foto hier ist nicht perfekt, aber man kann den Einfluss einer längeren Belichtung ganz gut erkennen.
Fotografiert mit der Canon EOS R8 und einer Belichtungszeit von 1/10 Sekunde bei Blende f/22 und ISO 400. Die Blätter vorn und hinten sind scharf, das bewegte Wasser unscharf durch die lange Belichtungszeit.
Wenn man Menschen durch Bewegungsunschärfe darstellen will, muss ebenfalls der Hintergrund knackscharf abgebildet werden. Sonst wird’s nur Einheitsbrei. Interessant ist auch, dass man mit sehr langen Verschlusszeiten sich bewegende Menschen komplett verschwinden lassen kann. Berufsfotografen habe das schon vor besonders imponierenden und touristisch begehrten Gebäuden gemacht, also Plätzen, die nie menschenleer sind. Wie das genau funktioniert, weiß ich nicht mehr so genau. Und einfacher geht das inzwischen auch mit KI-Retusche in z.B. Photoshop.
Die Geschwindigkeit von Menschen, aber auch von Autos, Zügen oder Tieren, die sich schnell parallel zu uns bewegen, kann man aber auch durch das Mitziehen der Kamera in Szene setzen. In diesem Fall wird das Objekt scharf abgebildet, während der Hintergrund unscharf und verwischt erscheint. Beim Headerbild habe ich mich für das Gegenteil entschieden.
Bei dynamischen Sportaufnahmen reicht trotzdem oft die kurze Belichtungszeit, egal wie der Hintergrund ausfällt, denn dort wird die Bewegung meistens durch die Akteure bestens dargestellt. Das Gleiche gilt für ein Schiff, das im Wasser Wellen erzeugt. Auch hier wird Bewegung deutlich, obwohl Schiff und Hintergrund scharf abgebildet werden.
Diese unterschiedlichen Möglichkeiten hat der/die FotografIn in der Hand, indem die richtigen Einstellungen vorgenommen werden. Das schafft die Vollautomatik nicht, allenfalls nähern sich die sog. Szeneprogramme (Moduswahlrad „SCN“) dem an.
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Noch kurz zum Bulbmodus (Wahlrad auf Stellung ‚B‘, sofern vorhanden)
Für das Bild bedanke ich mich bei unsplash.com und Guillaume de Germain.
Der Bulbmodus erlaubt es, den Verschluss der Kamera, so lange wie man möchte, offenzuhalten, wenn man den Auslöser gedrückt hält. Das geht über einen Fernauslöser am besten, zumal man für diese Funktion unbedingt ein Stativ einsetzen muss. Sinnvoll kann der Bulbmodus bei Feuerwerk sein oder um Blitze bei Gewitter einzufangen, für Lightpainting oder Astrofotografie. Ich habe damit noch keine Erfahrung, will es deshalb nur der Vollständigkeit halber erwähnt haben. Wenn das Moduswahlrad kein ‚B‘ hat, findet man den Bulbmodus meistens in der ‚M‘-Einstellung, wenn man dort die Verschlusszeit bis zur längst möglichen dreht.
Manche Kameras haben dieses Programm noch verfeinert. So gibt es bei meiner OM-D E-5 Mark III die Einstellung Live Composite und Live-Time. Dort wird der Auslöser nur einmal gedrückt, um das Ganze auszulösen, dann kann man den Bildaufbau mit allen Lichtspuren auf dem Monitor verfolgen und schließlich die Aufnahme beenden, wenn man mit dem Bild zufrieden ist. So zumindest habe ich das verstanden, allerdings mit einigen Einstellungen im Menü, die mir etwas komplizierter erscheinen. Ausprobiert habe ich es noch nicht. Vielleicht dieses Jahr mal an Silvester.
So weit, so gut. Meinen Beitrag zur Funktion der Blende findet ihr hier: Belichtungsdreieck/Blende. Das nächste Mal geht es um die ISO und das Zusammenspiel von Blende, Verschlusszeit und ISO im Belichtungsdreieck.
Bei mir ist A mehr oder weniger fest eingestellt. Liegt an meinem Altglasfimmel, liebe Elke
LG Bernhard
Das leuchtet ein. Obwohl ‚M‘ ja auch infrage käme, wenn du über die Verschlusszeit Einfluss nehmen wolltest. Gäbe vielleicht ab und an etwas schärfere Fotos 😉.
Bei M müsste ich zu viel Denken, liebe Elke 🙂
LG Bernhard
Ach, Bernhard! Was mach ich nur mit dir 🙄🤣🙄?
Liebe Elke,
ich werde das mal ganz in Ruhe ausprobieren. Vielleicht lerne ich ja doch noch was dazu. 😉 Bis dahin erst einmal wieder ganz lieben Dank für deine Mühe!
Liebe Grüße
Jutta
Aber immer wieder gerne 😀.
Ich liebe es, am Wasser die unterschiedliche Wirkung von Verschlusszeiten auszuprobieren. Vielen Dank für deinen Beitrag, liebe Elke.
Herzlich, do
Ja, das macht schon Spaß.
Hallo Elke,
da hast du dir aber viel Mühe gegeben um alles für den Anfänger verständlich zu erklären. Für das Wasser benutze ich aber auch gerne die Graufilter, damit klappt es im Urlaub eigentlich recht gut, denn auf Wanderungen nehmen wir äußerst selten ein Stativ mit.
Liebe Grüße und komm gut in die neue Woche
Arti
Ich vergesse regelmäßig, mir Filter einzustecken. Und sooft, wie ich meine Systeme schon getauscht habe, hab ich eh nie die richtige Größe dabei. Das könnte sich nun allerdings ändern. Ich glaube, dass ich bei OM-Systems endlich angekommen bin.
Nachtrag: Mir ging das mit dem Graufilter und dem Stativ eben nicht mehr aus dem Kopf. Wenn du einen Graufilter vorschraubst, dann brauchst du doch erst recht ein Stativ, weil sich die Belichtungszeit verlängert. Oder nicht?